Nach
Indah kommt man nicht einfach so. Nur im Winter, wenn Land,
Fluss und See gefroren sind, gelangt ein Wanderer oder Reiter nach
Norden. Oder man nimmt Schiff und Schlitten. Nach Norden, immer weiter
nach Norden führt einen der unbekannte Weg, der schon lang nicht
mehr zu erkennen ist. Während es immer kälter wird, der Sturm
immer unerbittlicher wütet und man sich die ersten Erfrierungen
einhandelt hat man viel Zeit darüber nachzudenken, welcher
Wahnsinn es ist, der einen vorwärts treibt.
Die
meisten gehen diesen Weg, weil sie die alten Legenden glauben, die
von einem Land voller Wunder und Schätze erzählen, das
irgendwo im Eis verborgen liegen soll, und wo sie sich zu bereichern
hoffen. Andere dagegen werden von der Machtgier getrieben, heißt
es doch das es dort einen Quell ewiger Jugend geben soll. Und wieder
andere suchen das verschwundene Wissen der alten Völker um es zu
bewahren.
Was es
ist, das die Leute freiwillig in den Tod treibt ist letztlich
egal, das Ergebniss ist bei den meisten das gleiche. Sie verirren sich
und erfrieren, oder geben auf und kehren um, um eine schmerzhafte
Erfahrung reicher.
Es gibt
auch auch jene, die nicht das Ziel suchen, sondern den Weg als
solches betrachten und diese finden irgendwann zu einer Siedlung in
dieser unwirtlichen Gegend, wo sie freundlich willkommen geheißen
und aufgenommen werden. Ein seltsam anmutendes, kleines Volk von
Riesen, wie es scheint, man nennt sie Witiko. Kaum einer der viel
kleiner ist als 2 m, helle
Haare und blaue oder graue Augen wohin man blickt. Fragst du
höflich, findet sich hier sogar ein Führer, der dich zum
alten Tempel von Indah führen wird ... so du es sich wirklich gut
überlegt hast und bereit bist dein Leben zu riskieren!
Der
Führer, der zumeist nicht viel redet, bringt dich zu Fuß
dann noch tiefer in die Eiswüste hinein, ein Anblick, der dir den
Atem verschlagen kann...
Hat man
es bis hierher geschafft und steht auf auf dem
Bergrücken, dem Sturm schutzlos ausgeliefert, ist es nicht mehr
weit. Abwärts führt der Weg, über einen Geröllhang,
zu der Bergspitze dort rechts. Man wundert sich vielleicht, das
ausgerechnet dieser Berg von einem ständig tobenden Sturm
eingehüllt zu sein scheint. Oder sind es tief hängende
Wolken,
die einem die Sicht so erschweren? Es ist schwer zu sagen.
Dort angekommen betritt der
Führer eine dunkle Höhle, die kaum mehr zu sein scheint als
ein Loch, in dem für gewöhnlich Wildtiere hausen. Doch
unbeirrt geht er seinen Weg und man folgt, zumal der Sturm, der hier
besonders schlimm tobt, einem kaum eine Wahl lässt.
Vom heulen des Windes, der einen draussen auf der Ebene und
besonders im Eingangsbereich der Höhle durchschüttelte, noch halb taub,
durchschreitet man die schützende Barriere. Kurz nur hat man das Gefühl sich
kaum bewegen zu können und man lehnt sich energisch dagegen, um vorwärts zu
kommen. Dann, plötzlich, lässt der Widerstand nah und man stolpert fast
vorwärts, weil man sich wieder bewegen kann und um einen herum ist es
gespenstisch still. Kein Lüftchen, nicht das geringste Geräusch ist zu
vernehmen und vielleicht fragt man sich kurz, ob man jetzt taub ist. Auch die
Halle, in der man plötzlich steht, ist so völlig anders als man von draussen
erwarten konnte. Was vorher ein dunkles Loch war, eher einer Tierhöhle
gleichend, ist jetzt eine hohe Halle flankiert von dicken, meterhohen Säulen.
Eiskristalle überziehen in einer dicken Schicht absolut alles, so das man nicht
erkennen kann, woraus die Wände oder Säulen bestehen. Durch das Eis am Boden
schimmert ein feines goldenes Mosaik, eine sehr kunstvolle Arbeit. Und
trotzdem, es ist merklich wärmer geworden hier drinnen.
Geht man weiter um sich das genauer anzusehen, bleibt der Führer schweigend
zurück. Leise verhallen die Schritte in den eisigen Hallen und man entdeckt
zwei große Tore .. eines am linken Ende der Halle, eines zur rechten. Hinter
einem ein drittes, viel kleineres, durch welches man augenscheinlich diese
Halle gerade betreten hat.
Seltsamerweise scheint das Echo der Schritte
zurückzukehren und es wird klar, das sich jemand nähert. Jemand schreitet an
den Säulen entlang, flankiert von zwei Leibwächtern, die ähnlich dem der einen
hergeführt hat, in Leder und Felle gekleidet und überdurchschnittlich groß
sind. Der einzige Unterschied liegt darin, das diese beiden weiße Umhänge statt
Fellmänteln tragen, und jeder von ihnen einen Speer in der Hand hält.
Der Blick wird jedoch automatisch auf die Person in der Mitte gelenkt.
Verglichen mit den Leibwächtern geradezu klein, erst aus der Nähe kann man sie
auf etwa 175 cm schätzen. Diese Person ist gekleidet in einen mittelgrauen
Ledermantel, mit Pelz gefüttert und in der Taille mit einem schwarzen Gürtel
geschnürrt, was eine schmale Taille vermuten lässt. Da die Kapuze tief ins
Gesicht gezogen ist und ansonsten nur noch ebenfalls graue Stiefel sichtbar
sind, muss man erstmal rätseln, ob zierlicher Mann, Frau oder Kind gar.
"Was führt dich hierher, Fremder?" ertönt dann plötzlich eine sehr sanfte, schwingende
Stimme, hell und klar, und die Vermutung das der Sprecher weiblich ist, wird
sofort bestätigt. Dann schiebt sie die Kapuze leicht nach hinten und verwirrend
große, graue Augen blicken einen an, die je nach Lichteinfall und Blickwinkel
auch mal braun schimmern. Braune Haut, dunkelbraunes Haar, fein geschwungene
Augenbrauen, ebenmäßig makellose Haut ... wunderschön, diese Frau, in ihrer
Erscheinung ebenso sanft wie ihre angenehme Stimme. Wenn sie dann weiter redet,
stellt man fest, das ihre Stimme wirklich sehr angenehm in den Ohren klingt,
sanft, ruhig, melodisch ... vertrauenerweckend. Und doch, sie verschleiert
nicht, das die Sprecherin über ein hohes Maß an Erfahrung und Autorität
besitzt, und das sie es ist die in dieser Eiswüste über Leben und Tod bestimmt.
Auch über dein Leben...
Sadra Rani, wie sie
sich
vorstellt, ist eine Priesterin der geheimen Lehre, aus der Zeit vor der
Zeit, als falsche Götter und Lehren noch keine Bedeutung hatten.
Als
Wächterin der heiligen Quelle und Führerin in die alte Welt
muss man sich ihren Fragen stellen und ihrer Entscheidung beugen. Denn
nur sie
bestimmt, wer durch welches der beiden Tore gehen darf. Das
heißt, wenn
man es genau nimmt, bestimmt man allein über sein Schicksal.
"Wähle gut, Fremder."
sagt
sie, und deutet auf verschiedene Eissäulen. Auf jeder liegt ein
Gegenstand und
von der Entscheidung wird abhängen, wie es weitergeht...
Auf der ersten
entdeckt man, nachdem sie das weiße Tuch
weggezogen hat, eine Rolle alten Pergamentes und eine Schreibfeder.
Auf der zweiten
steht ein goldener Trinkpokal, hoch gefüllt mit
Edelsteinen, Perlen, und Goldstücken.
Auf der dritten
liegen einige Runen aus polierten Knochen.
Auf der vierten
ein prächtiges Schwert neben seiner Lederscheide,
welche mit Silber und Gold beschlagen ist.
Und auf der
fünften letztlich liegt ein rotes Ahornblatt und eine unbekannte
Nuss.
Wonach wird man
greifen, was ist es das das Herz höher schlagen lässt?
Wissen?
Reichtümer? Schicksal? Macht? Neugier?
Man darf sich nur für
eines dieser Dinge entscheiden unter den Augen der Priesterin. Hat man seine
Wahl getroffen, und ihre Fragen alle beantwortet so gut wie möglich, führt
SadraRani einen entweder nach links, oder nach rechts zum Tor, wo es
weitergeht. War die Wahl nicht nach ihrer Zufriedenheit wird man nach rechts
gebracht und durchschreitet das Tor in eine Halle, in der es so dunkel ist, das
man nur Schemen erkennen kannst und selbsame Schatten wie von Statuen.
Vielleicht ist man klug genug zu erkennen, das man seine Chance vertan hast,
und man geht mit seinem Geschenk widerstandslos. Dann wird man zurück ins Eis
geführt und darf versuchen aus eigener Kraft den Heimweg zu finden.
Lehnt man sich aber auf, wird man den Tempel nicht
mehr verlassen. Das letzte was man dann erkennen wird sind die zu Eis
erstarrten Körper anderer Abenteurer, die diese Hallen nie wieder lebend
verlassen werden.
War die Wahl gut wird man nach links geführt, durch
das Tor und in eine noch größere Halle, hell und glänzend. Die Eisschicht hier scheint
etwas dünner, man kann die Bilder an den Wänden und das Mosaik auf dem Boden
besser erkennen, Fabelwesen wie Drachen und Greife, wunderschöne Natur,
Personen, Gebäude .. ganze Geschichten sind dort abgebildet. Mitten in der
Halle steht ein Wasserbecken, reich mit Gold und Edelsteinen verziert, auf
einem Tisch daneben stehen edle Trinkpokale. Der Kälte zum Trotz sprudelt darin
lustig ein reiner, frischer Quell Wasser, rötlich schimmernd, einladend
geradezu, und SadraRani schöpft mit einem beliebigen Kelch etwas davon ab. Sie
reicht einem diesen Kelch und ihre unergründlichen Augen ruhen nachdenklich auf
ihrem Gegenüber, wartend wie er entscheiden wird...
"Dies ist das Wasser der heiligen Quelle,
welches Krankheiten lindert und dir ewige Jugend zu schenken vermag. Trink,
wenn es das ist, was du suchst, Fremder."
Wird man trinken? Ist man wirklich so gierig? Dann
muss man sich nicht wundern, wenn man, aus dem Schlaf in den man fällt, erwacht
und sich auf den Eisebenen wiederfindet, so als hätte man den Tempel nie
betreten. Und soviel steht fest ... man ist alles andere als unsterblich
geworden.
Hat man verzichtet wird Sadra das Wasser zurück in
das Becken giessen und den Kelch wegstellen, und einen dann weiterführen. Je
weiter man an den Säulen entlang der Halle folgt, desto dünner wird das Eis und
bald schon läuft man auf Marmor. Am Ende der Halle kann man eine Treppe sehen,
so breit wie der gesamte Raum, nach oben schmäler werdend. Und am oberen Ende
der Treppe ein Tor, genau wie die, die man schon durchschritten hat. Dahinter
kann man bereits den Himmel erkennen, blassgelb bis weißblau. Die Sonne geht
gerade auf, oder unter, und einige Wolken hängen am Himmel. Man hört Vögel
zwitschern und Wasser plätschern, riecht die schönsten Blumen.
Und bereits hier spürt man den unendlichen Frieden, der alles und jeden in
diesem Land ausfüllt, und selbst den größten Zorn zu lindern vermag.
SadraRani führt einen noch die Treppe rauf, doch den letzten Schritt in die
neue Welt muss man alleine schaffen ...
"Trau dich, du bist so weit gekommen..."
Was einen dahinter erwartet kann einem
keiner vorher sagen. Unberührte Natur, Jahrhunderte alte Wälder, Flüsse und
Seen, vergessene Kulturen, Harmonie ... und Ruinen. Obwohl dieses Land seit
vielen Jahrhunderten magisch vor der Außenwelt verborgen wird, vermag dies
nicht den natürlichen Verfall zu stoppen. Und trotz dem, das die Gebäude
teilweise eingestürzt sind, und von vielen nur noch Ruinen blieben, dieses Land
strahlt eine Friedfertigkeit aus, wie man sie schon lange nicht mehr erlebt
hast. Das Gefühl ist überwältigend und auch die Menschen denen man begegnet
scheinen so zu empfinden. Ein wenig scheu, vielleicht von manchen auch
misstrauisch, wird man gemustert, aber keiner bedroht einen und so kann man
gehen, wohin man will. Nunja, jedenfalls so lang man als Mann nicht versucht in
die Bereiche des Tempels zu gelangen, die nur den Frauen vorbehalten sind.
Wenn man nochmal zurückblickt kann man den alten
Tempel in seiner vollen Pracht sehen. Praktisch aus dem Fels des Berges gehauen
schmiegt er sich an und in die Felswand, als zentraler Punkt das große Tor, von
dem eine spürbare Kälte ausgeht und daran erinnert, das dahinter das ewige Eis
beginnt. Seitlich an der Felswand steigt eine Treppe empor, wie aus dem Fels
gewachsen zu weiteren Gebäudeteilen und verschiedenen Balkonen. Auf manch einem
sieht man junge Frauen in wehenden Gewändern, Tempeldienerinnen vielleicht oder
Priesterinnen. Irgendwo zwischen ihnen, mit melancholischem Gesichtsausdruck
steht SadraRani, auf einer Terasse die deutliche Spuren des Verfalls trägt. Den
grauen Mantel hat sie abgelegt und darunter trägt sie ein braunes Kleid mit
goldenen Stickereien und sie schaut einem nach.
Doch dann siegt die Neugier und man geht die ersten
Schritte ins Alte Land 'Indah'... lebende Legende, geschaffen von einem
mächtigen Naturgeist, geschützt durch Magie.
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